Karwendelmarsch 2016 – wir waren dabei

Der menschliche Körper besteht aus 656 Muskeln. Und ich denke, bis auf den Herzmuskel spüre ich heute jeden einzelnen. Wobei auch der Herzmuskel etwas wehmütig ist, denn das Ziel mit 52 Kilometer hab ich nicht geschafft...

 

 

Am Samstag um 02.00 Uhr bin ich sehr fit und gut gelaunt aufgestanden. Ein gutes Frühstück mit Flocken, Joghurt, Bananen und Rosinen. Kaffee brauch ich sowieso zum munter werden und zum drüber streuen noch mal Rote Rüben Saft. Um 03.00 Uhr dann Abfahrt. Je näher wir nach Scharnitz kamen, desto nervöser und aufgeregte wurde ich. Vor Ort war alles perfekt organisiert. Trotz der unchristlichen Zeit waren die Leute nett und freundlich, ein Moderator war vor Ort, chillige Musik wurde gespielt. Wir haben uns auf eine Bank gesetzt und versucht zur Ruhe zu kommen. Es war schön zu sehen, wie es gegen 06.00 Uhr langsam hell wurde. Die teilnehmenden Menschen waren entspannt, keine Hektik und kein Trubel. Dann sitze ich so da, schau mir alle an und sehe doch wirklich Menschen, die bei den Wanderern/Walkern standen und kein trinken mit sich hatten. Natürlich kann so was auch antrainiert werden, nur stellt sich schon die Frage, wie gesund das ist. Bei den Läufern – der schnellste hat die 52 km in 4 Stunden 20 erledigt – versteh ich es noch, die kommen in zügigen Abschnitten zu Labestellen aber beim Gehen...

 

Um 06.00 Uhr war es dann so weit, ein Kanonenschuss hat den Karwendelmarsch 2016 gestartet. Es war beeindruckend zu sehen, wie sich 2500 Menschen in Gang setzen und laufen/gehen/walken. Die ersten zehn Kilometer waren super zum eingehen. Wir haben das im Powerwalk zurückgelegt. Die Natur ist langsam erwacht, es wurde immer heller, die Berggipfel im Umfeld waren schon hell erleuchtet, in den Tälern lag noch der Nebel, es war sehr beeindruckend. Bei der ersten Labstelle gab es Saft, Obst, Kekse, eine kurze WC-Pause und weiter gings.

 

Die nächsten zehn Kilometer wieder im Powerwalk mit einer langen, langsamen Steigung, die ich unterschätzt habe. An der Labestelle angekommen war mir schwindelig, meine Oberschenkelmuskulatur hat gezittert. Bananen, Kartoffelsuppe, Müsliriegel und Hollersaft haben das gerichtet und weiter ging es. Der nächste Abschnitt führte uns dann bergab. Aus heutiger Sicht haben wir da wichtige Zeit liegen lassen. Durch die Überbeanspruchung davor, war ich nicht in der Lage, diese Strecke schnellst möglich zurückzulegen. Den zweiten Fehler den wir dann machten, war zu viel reines Wasser zu trinken. Dadurch haben wir – zusätzlich zu dem folgenden massiven Wasserverlust durch schwitzen – noch mehr Elektrolyte ausgeschwemmt. Die Folge waren Übelkeit und Krämpfe. Und dann kam das Stück, das mir zeigte wo meine Grenzen lagen. Steil bergauf und sengende Hitze. Kein Wind. Es ist das Gefühl, dass du willst aber es zieht dich immer was zurück. Ich weiß, dass die Kondition da ist, ich weiß dass die Kraft da ist aber ich konnte nichts davon voll umsetzen. Es war demotivierend und aus heutiger Sicht traurig. Dann kommst du oben an, in dem Moment bist du glücklich und kannst nicht glauben, dass du das geschafft hast. Zur Stärkung eine Hafersuppe, Obst und Saft. Du schaust auf die Uhr und weißt, die Zeitvorgabe zum weitergehen aus der „Kontrollstelle“ ist fast unmöglich.

 

Das nächste Stück geht gerade, bergab, über Geröll. Das Stück lag im Schatten und wir waren wie ausgewechselt. Wir sind fast gelaufen. Das letzte Stück zur Engalm liegt wieder in der prallen Sonne und du merkst, wie hinter dir wieder wer zieht. Die Bergrettung in der Mitte des Hanges sagt dir dann, dass es sich nicht ausgehen wird. In dem Moment wusste ich, für Erwin ist das die Härte. Er ist ihn schon zweimal gegangen und hat zweimal die 52 Kilometer erledigt. Gestern dann nicht. 15 Minuten haben uns gefehlt, dass wir weiter gehen hätten dürfen. Ich hab die Enttäuschung gesehen und wusste, jetzt muss ich ihn aufbauen. Wir haben uns die Medaille abgeholt und das Finisher Paket. Rundherum waren so viel Menschen, die die 52 Kilometer gehen wollten aber es nicht geschafft haben. Und trotzdem war jeder stolz auf sich und die anderen.

 

Für das nächste Jahr weiß ich was zu tun und zu bedenken ist:

  • Viel weniger Essen und Trinken mitnehmen. Andere hatten gar nichts mit, wir schleppten 6 Liter mit uns und 3 Packungen Trockenfrüchte.
  • Nicht so viel reines Wasser trinken. Damit haben wir unsere letzten Elektrolytreserven, die so wichtig sind, komplett geleert. Also besser Saft, Elektrolytgetränke, Salzbriefchen usw.
  • Trotzdem noch mehr Ausdauertraining. Denn ehrlich, als ich sah, wo wir noch hätten rauf müssen, war ich fast froh, dass wir die Zeit nicht geschafft haben.

Heute früh dachte ich „Hätten wir doch die Startnummern abgegeben und wären weiter gegangen...“ Es freut mich, dass ich heute schon wieder an die Anmeldung fürs nächste Jahr denke. Das zeigt mir, dass ich das gefunden habe, was mir Spass macht.

 

Ich war gestern stolz bin auch heute stolz auf mich und meinen Liebsten. Auch er kann stolz sein. Wenn nicht auf seine Leistung gestern, dann doch auf die Tatsache, dass er aus einem Mädl, dass bis Jänner 2016 auf noch keinem Berg war, das Mädl gemacht hat, dass gestern voll motiviert und glücklich, nach 8 Stunden 45 Minuten mit ihm über die 35 Kilometer Ziellinie gegangen ist!