Der Fluch über die Staatsmeisterschaften wurde gebrochen

Jasmin Mader aus Kramsach konnte endlich ihre Favoritenrolle im Turnen Mehrkampf bestätigen.

@Jasmin Mader
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Jasmin Mader wurde im November 2016 in Wien Staatsmeisterin Turnen Mehrkampf über alle Geräte in der Eliteklasse. Die 1992 geborene Kramsacherin kann bisher auf zahlreiche Titel, Weltcup- und Weltmeisterschaftseinsätze sowie auf eine Olympiaqualifikation zurückblicken. Ebenso erfreut sie sich über einen vollen Terminkalender und zog die Arbeit dem Heeresleistungszentrum vor. Wie alles dazu kam und dass sie mehr oder weniger die ersten Schritte auf dem Balken machte, erzählt sie Regionalsport im Interview.

 

RS.: Du bist bereits mehrfache Staatsmeisterin, allerdings in Wien das erste Mal über alle vier Geräte?

Jasmin Mader: Nach langer Zeit hat es endlich geklappt. Ich habe 2006 das erste Mal im Mehrkampf gewonnen, allerdings in der Juniorinnen-Klasse. Seit 2007 trete ich bei den Senioren/Elite an. Zu den Favoriten wurde ich immer gezählt, doch geklappt hat es nie. Es ist als würde ein Fluch über mich und den Staatsmeisterschaften schweben, bis eben 2016 in Wien, da wurde er gebrochen.

RS.: Ich habe gelesen, du turnst seit dem dritten Lebensjahr?

Jasmin Mader: Ein Teil meiner Verwandtschaft turnt, wie auch mein Opa früher, daher hatten wir einen Balken zu Hause. Als ich gehen konnte wurde ich einfach über den Balken geschickt. Meine Mama meldete mich im Turnverein an wo es ein Sichtungsturnen gab. Seither bin ich im Turnverein und seit 2000 im Leistungszentrum. 2003 trat ich dann das erst Mal bei den Staatsmeisterschaften an.

 

RS.: Eigentlich wäre dein sportlicher Weg anders vorherbestimmt gewesen oder?

Jasmin Mader: (lacht) Ja, das stimmt. Ich komme aus einer Skifahrerfamilie. War auch im Skiclub und bin bei Rennen mitgefahren. Aber mir war einfach immer viel zu kalt, da zog ich lieber die Turnhalle vor.

 

RS.: Wie konntest du Schule, Sport und Wettkämpfe vereinbaren?

Jasmin Mader: Ich musste nie mit dem Bus fahren. Meine Mama holte mich mit dem Auto von der VS Kramsach und später HS-Rattenberg ab. Nach einem schnellen Mittagessen fuhren wir nach Innsbruck zum Training. Am Abend nach Hause wo ich Hausübungen machte und lernte. Für mich war und ist das ganz normal. Die Schulen machten dabei super mit. Danach ging ich auf die Sport-BORG in Innsbruck, da war das überhaupt kein Problem mehr.

Jasmin Mader im Gespräch mit Regionalsport Herausgeber, Hofbauer Erwin, im Leistungszentrum für Turnen in Innsbruck.  @Regionalsport.at
Jasmin Mader im Gespräch mit Regionalsport Herausgeber, Hofbauer Erwin, im Leistungszentrum für Turnen in Innsbruck. @Regionalsport.at

RS.: Nach der Sport-BORG kam gleich die Arbeit?

Jasmin Mader: Das ist richtig. Seither bin ich Erzieherin in der Glasfachschule Kramsach. Zum Thema stand auch das Heeresleistungszentrum, allerdings hat mir das Grün nicht gefallen (Scherz). Nein, ich arbeite lieber und das möchte ich auch nach meiner Turnerinnen-Karriere weitermachen. Natürlich bin ich auch noch Trainerin in der Turnhalle Telfs sowie Kundl und studiere in München Modedesign. Das klappt ganz gut, da ich nur an den Wochenenden Wettkämpfe habe.


Bei mir ist jeder Tag komplett durchgeplant. Wenn ich zuviel Freizeit hätte käme mir das komisch vor. Ich muss mir alles in den Kalender aufschreiben und abarbeiten, sonst vergesse ich was.


@Jasmin Mader
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RS.: Gibt es im Turnen eine Wettkampfsaison?

Jasmin Mader: Wenn ich den Wettkampfaufbau mit einrechne, sind es bei mir ca. zwei Wochen im Jahr wo es etwas ruhiger zur Sache geht. Wettkämpfe sind meistens von Februar bis Juli und Anfang September bis ca. Mitte Dezember.

 

RS.: Neben deinen ganzen Erfolgen, war und ist Olympia für dich ein Thema?

Jasmin Mader: Trifft beides zu. 2014 haben wir uns als Team dafür qualifiziert, da wir unter die besten 24 Turnerinnen der Welt gekommen sind. Ich selbst sprang für eine verletzte Kollegin sehr kurzfristig in Rio zur Qualifikation ein. Bei zwei Geräten habe ich super geturnt, nur bei den letzten beiden ging es mir nicht besonders gut.

 

RS.: Liegt dein Fokus jetzt auf Tokio 2020?

Jasmin Mader: Olympia ist für jeden Sportler ein Traum. Aber 2020 bin ich 26 und gehöre zu den nicht mehr wirklich jungen Turnerinnen, allerdings ist die Olympiade in Tokio für mich auf jedem Fall noch ein Thema. Vor allem wüsste ich gar nicht, was ich ohne Turnen machen sollte?

 

RS.: Was gefällt dir beim Turnen, dass es für dich so besonders ist?

Jasmin Mader: Du hast vier Geräte. Auf jedem Geräte hast du im Wettkampf nur eine Chance und da musst du eine top Leistung zeigen. Dabei durchlebst du sehr viele Höhen und Tiefen in einer relativ kurzen Zeit. Auf einem Gerät passiert ein Fehler – du bist am Boden zerstört. Bei der nächsten Übung läuft es perfekt – du könntest die Welt umarmen usw. Darum bin ich, wie auch viele TurnerInnen, nach einem Wettkampf, körperlich wie auch emotional, richtig müde.

Wichtig finde ich, dass man als TurnerIn lernt sich selber zu motivieren. Passiert bei einem Gerät ein Fehler, musst du das sofort vergessen und dich auf das nächste konzentrieren, denn es geht immer sehr schnell voran bei Wettkämpfen.

 

RS.: Ich habe gehört, dass du mit dem Männernationalteam zusammen trainierst?

Jasmin Mader: Stimmt, weil ich die einzige Frau hier in der Halle bin, bis auf eine weiter Turnerin doch die trainiert meistens nur ein Gerät und die anderen Mädls sind noch zu jung um mit uns trainieren zu können. Das Männernationalteam kommt in das Leistungszentrum Innsbruck, des Trainers, Mag. Peter Koudela wegen, trainieren. Zudem ist es die beste Halle in Österreich.

@Jasmin Mader
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RS.: Wie kommt das, dass du die einzige Frau im Turn-Leistungssport hier in Innsbruck bist?

Jasmin Mader: Wir haben sehr viele Talente in Österreich oder Tirol. Leider hören die meisten in der Pubertät auf.

 

RS.: Was sind deiner Meinung nach die Gründe dafür?

Jasmin Mader: Mit Sicherheit der Schulwechsel, selber verändert man sich, man will mehr mit den Freunden unternehmen usw. Man muss sich bewusst sein, dass man auf sehr viel verzichtet, wenn man Leistungssport betreibt. Gerade im Turnen trainierst du als Kind fast nur und man nimmt selten an Wettkämpfen teil. Ich habe mich immer gefragt, warum wir soviel trainieren und auf fast keine Bewerbe fahren, aber jetzt, in der Eliteklasse weiß ich es. Jetzt sind es um die 25 Stunden in der Woche, die ich mit dem Training verbringe.

 

RS.: Was fällt dir zum Thema Schattenseiten im Turnen ein?

Jasmin Mader: Das Schlimmste sind die Verletzungen. Zum Glück bin ich immer gesund geblieben. Das kommt durch das viele Krafttraining, dass ich mit den Jungs machen muss. Zweimal hat es mich am Knie erwischt, weiß aber nicht warum. Ich bin aus den Verletzungen immer gestärkt hervorgekommen. Weil ich die Zeit für guten Aufbau genutzt habe und danach motiviert war, wieder dort anzuknüpfen wo ich vor der Verletzung stand.

 

RS.: Was war dein schönster Augenblick in deiner Turnerinnenkarriere?

Jasmin Mader: Da gibt es zwei. Einmal 2014 bei der WM in China wo wir es als Team unter die Top24 schafften und das angestrebte Punkteziel erreichten. Der zweite Augenblick war beim Weltcup in Portugal, wo ich Silber gewann, obwohl ich nie damit gerechnet hatte.

 

RS.: Du hast uns erzählt, dass Barren dein Lieblingsgerät ist? Gibt es eigentlich ein Gerät, dass du überhaupt nicht magst?

Jasmin Mader: Früher habe ich den Barren gehasst und den Boden gemocht. Wegen dem Barren habe ich sehr viel mit meinem Trainer gestritten, vor allem, weil er mir Aufgaben gab, wo ich dachte, das schaffe ich nie. Aber jetzt bin ich froh, dass er mich darin gepusht hat. Jetzt mag ich den Balken nicht. Ich falle immer runter. Was ich überhaupt nicht verstehe. Denn bei den Bodenübungen weiß ich, ich muss Vollgas geben. Beim Sprung ist es das selbe, den Barren habe ich unter Kontrolle, doch beim Balken; der ist eine Katastrophe für mich.

 

RS.: Mir ist aufgefallen, dass viele Turnerinnen sich beim Balken schwer tun?

Jasmin Mader: Viele TurnerInnen machen den Fehler, dass sie zu vorsichtig auf dem Balken turnen. Das darf man nicht machen, sondern muss mit Vollgas darauf turnen. Vielen fehlt der Mut dazu.

 

RS.: Im Turnen gibt es sehr viele verschiedene Wettkämpfe, wie Turn10 zum Beispiel. Was sind die Unterschiede?

Jasmin Mader: Das klingt alles komplizierter als es wirklich ist. Zum einen gibt es den Breitensport und zum anderen den Leistungssport, wie ich ihn betreibe. Im Leistungssport gibt es die ÖM, WM, WC,... . Turn10 ist das Programm für den Breitsport, Schüler und Vereine. Worin sie sich verschiedenste Übungen bei einem Gerät aussuchen können.

 

RS.: Welche sportlichen Ziele verfolgst du im nächsten Jahr?

Jamsin Mader: Da gibt es ein paar. Bei der Mehrkampf-Europameisterschaft möchte ich in das Finale kommen. Im Februar will ich eine Weltcupmedaille erreichen und die UNIVERSIADE (auch Weltsportspiele der Studenten) ist ganz groß in meinem Wettkampfkalender eingetragen.