Eine ausdrucksstarke Geschichte, erzählt auf dem Rücken eines Pferdes

 

Das beschreibt wohl am besten, was die Leidenschaft der beiden Ausnahmevoltigierer im Pas de deux, Jasmin Lindern und Lukas Wacha, entfacht.

 

Jasmin Lindner, 1995 geboren, aus Fügen und Lukas Wacha, 1987 geboren, aus Schwaz zählen nach ihren zwei Weltmeistertiteln 2012 und 2014 im Voltigierer Pas de deux zu den Besten in dieser sehr ambitionierten Sportart. Mit zwei Europameister-Titeln und einem Weltcupgesamtsieg ergänzen sie die Liste mit ihren größten Erfolgen.

Im Regionalsport Tirol Interview erzählen die beiden über Emotionen, Ziele und sprechen über die Dinge, die nicht nach außen hin sichtbar sind.

 

Wie waren eure Anfänge im Voltigieren?

Lukas: Ich fing in dieser Sportart relativ spät an, ich war damals neun Jahre alt. Bewegt habe ich mich immer gern – bin schon früh im Handstand durch die Wohnung gelaufen. Erst meine Taufpatin, die zwei Pferde hatte, brachte mich zum Voltigieren.

Jasmin: Ich wuchs ganz in der Nähe von einem Reitstall auf, in dem voltigiert wurde. So fand ich mit sechs Jahren zu diesem Sport und trainierte im Edhof.

 

Warum bist du dann zum VG Pill gewechselt?

Jasmin: Bis 2007 wurden wir von Jacqueline Helm-Hartog sehr erfolgreich in der Gruppe trainiert. Als sie nach Australien ging, wurde der Verein auf sehr hohem Niveau aufgelöst und ist seither im Nachwuchs tirolweit sehr erfolgreich. International konnte ich nur beim VG Pill TU Sparkasse Schwaz mit Erfolgstrainer Klaus Haidacher weiterkommen, wie man auch gesehen hat, darum gab es für mich nur diese Option.

 

War die VG Pill damals auch schon so erfolgreich?

Beide: 2005 hatte es eine Championat-Medaille gegeben. Erst 2008 ging es im Gruppenvoltigieren wieder aufwärts.

 

Wann kam der Entschluss zum Paarvoltigieren?

Jasmin: Anfangs haben wir immer in der Gruppe voltigiert. 2008, 2009, 2010 waren super Jahre. Alle waren motiviert.

Lukas: Diese Gruppendynamik wurde mit der Zeit weniger. Jasmin und ich waren nach wie vor sehr ehrgeizig. Um unsere Ideen verwirklichen und auch nach unseren Vorstellungen trainieren zu können, schlossen wir uns zusammen. Es ist auch einfacher, zu zweit auf große Turniere zu fahren als in einer ganzen Gruppe.

 

Was ist denn für euch das Besondere im Voltigieren?

Lukas: Man entdeckt seine Grenzen, denn wir setzen die Turnübungen auf dem galoppierenden Pferd um und probieren es so lange, bis es klappt. Vor allem, wenn Leute sagen, es geht nicht, dann erst recht.

Es ist ein sehr breitgefächerter Sport. Man muss athletisch sein, turnerische sowie akrobatische Fähigkeiten haben, beweglich sein, eine Stabilität haben und zu viel Angst sollte man nicht kennen.

Auch die Zusammenarbeit zwischen Jasmin und mir – das Geschichtenerzählen während einer Vorführung ist ganz was Besonderes. Wir können eine unglaubliche Zuneigung sowie Ausstrahlung in unserer Kür verkörpern.

Jasmin: Auch die Arbeit zusammen mit dem Pferd ist absolut schön, das Vertrauen, das wir dadurch aufbauen, sowie die Eleganz, die diese schöne Sportart hat, sind großartig.

 

Was sollte jeder wissen, der sich in irgendeiner Art mit dem Voltigieren beschäftigt?

Jasmin: Es sind viel mehr Leute daran beteiligt, als zu sehen sind. Eine ganz tragende Rolle spielt dabei der Longenführer. Man muss ein eingespieltes Team hinter sich haben, das ist den wenigsten bewusst. Ein Pferd gehört geritten, also wird ein Bereiter gebraucht, sowie eventuell ein Physiotherapeut.

Lukas: Gerade wenn es um Leistungssport geht, sind zusätzlich noch Choreographen, Akrobatiktrainer und Techniktrainer am Erfolg beteiligt. Eigentlich gehört nach einem gelungenen Wettkampf das ganze Team geehrt, vor allem die Trainer, egal ob im Nachwuchs- oder Leistungsbereich.

 

Was sind die unangenehmen Momente im Voltigieren, gerade wenn man so erfolgreich ist wie ihr?

Jasmin: Die Öffentlichkeit hat natürlich bestimmte Erwartungen an uns und eigentlich dürfen wir nichts anderes bringen, außer Erfolge. Im gewissen Maße stehen wir immer unter Druck. Ich empfinde das aber nicht als unangenehm. Wenn wir irgendwo nicht weiterkommen, versuchen wir uns gegenseitig zu stärken, trainieren weiter, um aus dem Tief wieder rauszukommen, oder wir suchen uns kleinere beziehungsweise ein anderes Ziel und versuchen verschiedene Wege auszuprobieren, um eben an unser Ziel zu kommen.

Lukas: In jedem Fall war das mein Unfall bei einem Routinetraining, als das große Fragezeichen in der Luft stand, wie es überhaupt weitergeht, denn kurz darauf war bereits der nächste Wettkampf. Eine große Portion Geduld sollte man in dieser Sportart mitbringen. Das empfinde ich aber nicht als unangenehm, es gehört einfach dazu, dass mal eine Kür etwas länger dauert, bis sie sitzt.

 

Gibt es einen Augenblick, an den ihr euch gerne zurückerinnert?

Beide: Definitiv an die letzten drei Jahre. 2012 und 2014 konnten wir die Weltmeisterschaft gewinnen. Das war immer unser Ziel. Die Zeit dazwischen war überaus trainingsintensiv. Allerdings sind wir auch viel umher gekommen und durften sehr viele schöne Momente erleben, die uns keiner mehr nehmen kann.

Einen einzelnen Moment gibt es da nicht, es ist die Summe der Eindrücke und des Erlebten seit Pas de deux, die präsent sind.

 

Wie groß ist euer Trainingspensum in einer Woche?

Jasmin: Das kommt darauf an, in der Regel sechsmal in der Woche.

Lukas: Vor einer WM oder EM können es auch zwei Einheiten am Tag sein. Am Vormittag Choreographie-Training und am Abend auf dem Pferd.

 

Wie ist es, mit dem Partner sich auf Wettkämpfe vorzubereiten, zu bestreiten und zugleich in einer Beziehung zu sein?

Beide: Sowohl eine Herausforderung als auch entspannt. Es ist schön, gemeinsam viel zu erleben. Wir haben sonst nicht viel Zeit für uns. Jasmin studiert Mathematik und Biologie auf Lehramt und ich bin selbständiger Physiotherapeut. So können wir die Wettkämpfe, wie in Katar zum Beispiel, als Kurzurlaub nutzen.

 

Wenn ihr den Sport in Emotionen ausdrücken müsstet, was würdet ihr sagen?

Jasmin: Vertrauen – im ganzen Training, zu den anderen Voltigierern, dem Pferd und dem Longenführer. Ganz wichtig ist eine positive Einstellung zu haben, denn die Pferde spüren das – was du denkst, wenn du Angst empfindest oder deine Stimmung nicht gut ist. Die Pferde zeigen das dann in irgendeiner Art und Weise, darum ist es absolut wichtig, mit einer positiven Einstellung hinzugehen und so auch mit dem Pferd zu arbeiten.

Natürlich, wenn bei einem Turnier alles aufgeht, dann ist das Freude pur – die Belohnung für die intensive Zeit und das harte Training davor.

Lukas: Es ist eine sehr emotionale Sportart, gerade bei Wettkämpfen. Davor verspüre ich massive Anspannung und einen großen Druck, denn man will ja eine sehr gute Leistung abliefern. Danach, vor allem wenn man erfolgreich war, ist es eine Riesen-Erleichterung.

 

Woher stammt eure Motivation?

Lukas: Die haben wir schon immer gehabt. Ich denke meinen Grundstein habe ich zwischen 2008 und 2009 gelegt. Zu dieser Zeit waren wir in der Gruppe nur auf den Gewinn fokussiert.

Als Jasmin und ich uns in den Kopf setzten, im Pas de deux ganz nach oben zu kommen, kamen diverse Verletzungen dazu. Aufgeben kam für mich trotzdem nie in den Sinn, denn dafür hatten wir schon zu hart trainiert. Der Erfolg gab uns schlussendlich recht, was uns noch mehr Auftrieb verschaffte.

Jasmin: Auch die Einladungen nach Katar oder in die Normandie spornten uns an, denn das sind Riesen-Events bei denen wir vor 6.000 Menschen auftraten. An solche Gänsehautmomente erinnern wir uns gern zurück.

 

Wie viele Wettkämpfe besucht ihr im Jahr?

Beide: Im Augenblick sind an die 15 realistisch. Wir könnten bei mindestens doppelt so vielen mitmachen, nur geht sich das finanziell und zeitlich nicht aus.

 

Heißt das, ihr finanziert euch diesen Sport selbst?

Beide: Wir und der Verein finanzieren das. Es ist schwer, Sponsoren zu finden. Dieser Sport, wenn man so will, ist als Hobby zu betrachten. Du investierst viel und bekommst wenig im materiellen Sinn zurück.

Preisgelder gibt es nur bei den ganz großen Turnieren, wie eben Katar. Das deckt zumindest die Trainingsfahrten.

Da dieser Sport noch nicht olympisch ist, zählt er für die Sponsoren eher zu den Randsportarten. Obwohl wir medial durch die Erfolge sehr gut vertreten und auch viel unterwegs sind.

 

Ich habe vorher bemerkt, ihr seid schon sehr viel am Autogramme schreiben. Wie ist es, auf einmal einen gewissen Bekanntheitsgrad zu besitzen?

Beide: Das fing 2012 an, als wir zum ersten Mal den Weltmeistertitel holten. Es gefällt uns schon sehr, wenn wir nach den Wettkämpfen zu den Interview-Terminen und Pressekonferenzen gerufen werden. Diese Präsenz bestärkt uns zusätzlich.

Wir haben noch den Vorteil, dass wir ruhig durch Innsbruck laufen können und keiner vor unserer Haustür campiert (lacht).

 

Welche Ziele habt ihr?

Jasmin: Das Studium abschließen und dann sehe ich weiter. Das Voltigieren bleibt auf jeden Fall. Heuer feiern wir 30-jähriges Bestehen vom VG Pill TU Schwaz und im September tragen wir hier die Staatsmeisterschaften aus, dort möchten wir natürlich sehr gut abschneiden.

Lukas: Wir werden an die letzten drei Jahre anknüpfen und wollen noch mehr Leistung sowie neue Übungen zeigen. Ziel wäre es auch, das ganze Konstrukt mit neuen Choreographien, neuen Dressen, Musik und Urlaub unter einen Hut zu bringen.

 

Die Fotos wurden von Andrea Fuchshumer zur Verfügung gestellt.