Die Piste als Revier
Auf der Jagd nach dem besten Foto
Von Mitte November bis Ende März ist Erich Spiess als Fotograf auf den Skipisten unterwegs. Doch wie kam er dazu, wie waren seine Anfänge, auf was kommt es an und wie sieht er die Zukunft vom alpinen und nordischen Skisport?
Vom Verkäufer zum Fotochef
Vom Stamser Skigymnasiasten der allerersten Stunde, dessen Karriere nach einem Unfall sportlich als auch schulisch beendet wurde, zu einer Doppellehre im Fotohandel und Fotografen mit Meisterbrief. So lässt sich der Karriereweg vom Tiroler Erich Spiess beschreiben, der seit 1999 Fotochef im alpinen und nordischen Skisport ist.
Eigentlich interessierte Erich Spiess die Fotografie am Anfang nicht so sehr. Erst während der Fotografenlehre kam das Interesse und er begann sich für Unterwasserfotografie zu begeistern. Vor mehr als 40 Jahren heuerte Spiess als erster Pressefotograf Tirols bei der TT an, wechselte danach zum Kurier und baute nebenher das Bildarchiv der Tirol Werbung auf.
Immer mehr rückte dabei die Sportfotografie in den Mittelpunkt, und der Tiroler beschloss sich als Sportfotograf selbständig zu machen und wurde schon bald offizieller Fotograf des Österreichischen Skiverbandes. 1989 schoss er die ersten Bilder bei der Skiweltmeisterschaft in Vail. Zehn Jahre später war er das erste Mal bei einer Skiweltmeisterschaft in Amerika im Auftrag des Veranstalters für die Fotografen aus aller Welt zuständig.
Sicherheit und Qualität vor Quantität
„Ich darf 40 Fotografen auf die Piste lassen. 30 davon dürfen weltweit ständig bei den Skirennen fotografieren. Die restlichen zehn sortiere ich zusammen mit der FIS nach der Prioritätenliste bzw. nach vorhergegangenen Recherchen aus. In der Regel muss ich 170 Fotografen eine Absage erteilen. Auf der ganzen Welt gibt es genau zwei Personen, die als „Fotochefs“ im alpinen Skizirkus arbeiten: Ein Franzose und ich!“ erzählt Erich Spiess. „Wenn sich ein Fotograf nicht an die Regeln hält, wie Steigeisenpflicht, eine Stunde vor Rennstart an seiner Position auf der Piste zu stehen und dabei absolutes Bewegungsverbot zu beachten, dem wird die Akkreditierung entzogen, denn wir wollen Unfälle vermeiden und qualitativ hochwertig arbeiten.“
Schminke und Werkzeugkoffer
Auf die Frage, was er von der Schminkdebatte hält und welcher Skifahrer eitel ist, antwortet Erich kurz: „Dadurch, dass mich alle kennen, habe ich ein super Auskommen mit ihnen, egal ob sie noch aktiv sind oder die Skikarriere beendet haben. Außerdem schaut es doch nett aus, wenn alle am Leaderboard oder am Podest gut aussehen!“
Lachend erzählt Erich, wie er einmal in Flachau übersah, dass die Liveübertragung losging und er die „Snow-Space-Princess“ währenddessen richtig adjustierte. Oder wie er am Anfang seiner Fotografenkarriere mit einer Dunkelkammer und einem Werkzeugkoffer im Auto unterwegs war und er das Hotelzimmer umbaute, um die Bilder um die Welt schicken zu können. „Früher dauerte es bis zu einer Stunde, dass ein Bild versendet war, heutzutage geht das innerhalb von Sekunden“, erinnerte sich Erich.
Herr der Fotografen
Was er weniger leiden kann ist, wenn eine Veranstaltung unkontrolliert abläuft und es keine Regeln gibt. „Eine gewisse Ordnung muss einfach sein. Das ist nicht nur für die Fotografen wichtig, sondern auch für die Sportler und deren Sponsoren. Jeder lebt davon“, weiß Erich Spiess zu berichten. „Außerdem sollten die Fotografen optimale Arbeitsbedingungen vorfinden und die Athleten brauchen jemanden, der sich um sie kümmert, dem sie vertrauen können – denn wenn 100 Fotografen oder mehr losgelassen werden, braucht es jemanden, nach dessen Pfeife sie tanzen.“ Dieses Vertrauen hat sich der Sistranser über Jahrzehnte als „Jäger nach den besten Fotos“ erarbeitet.
Crashfotos und die Attraktivität des Skisportes
„Reinhard Fendrich hat mit seinem Lied ,Es lebe der Sport‘ absolut recht. Die Zuschauer wollen bedauerlicherweise Stürze sehen. Leider ist das so, denn der Skisport wird immer uninteressanter. Es gibt zu viele Rennen und zu viele Starter. In Österreich und Mitteleuropa können wir jedes Rennen im Fernseher sehen, allerdings ist in vielen anderen Ländern das Interesse minimal. Es muss mehr Show und ein ansprechendes Rahmenprogramm geboten werden“, weiß Erich Spiess aus Erfahrung, „denn ganz ehrlich, wen interessieren 90 Starter? Nach 40 ist eigentlich genug. Und was spricht gegen ein Qualifying am Vortag?“
Kritisch sieht Erich Spiess die Entwicklung der Handyfotos auf den Socialmedia-Plattformen: „Die können im schlimmsten Fall das Geschäft eines Fotografen beinahe kaputt machen!“ Seiner Meinung nach, wird sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren einiges ändern, sowohl bei den Medien als auch im alpinen Skizirkus selber.