Christian Troger: „Wir sehen uns an der Ziellinie!“


„Sport ist eine Lebensschule!“

Wie war sein Weg zu einem glücklicheren, erfüllteren und zufriedeneren Leben?


Ohne linkes Bein und ohne linke Hüftpfanne, vom Kettenraucher und Partygeher wankte Christian Troger orientierungslos durchs Leben. 2012 durfte er sich Weltmeister über die Triathlon-Langdistanz nennen. Der 31jährige aus dem Seeboden am Millstättersee brachte vor Kurzem das Buch „Geht nicht – läuft!“ heraus. Ein Autobiographischer Ratgeber.

Triathlonprofi Christian Troger “ wurde zudem 2012 Weltmeister im Duathlon und konnte zahlreichen Europameister- und Vizeweltmeistertitel in diesen Sportarten erreichen.

Im Interview mit Erwin Hofbauer vom regionalsport.at schildert Troger über seine Einstellung, wie Sport sein Leben veränderte, was er generell von Sport hält und seinen langen Weg auf das Siegespodest sowie wie er die sportliche Entwicklung der Kinder sieht.


Was hat dich am Triathlonsport derart fasziniert, dass du plötzlich die Parties und die Zigaretten weggelassen hast bzw. ausgelassen hast?

Durch Zufall war ich als Zuschauer beim Ironman dabei. Ich beobachtete wie sich die Athleten den ganzen Tag abkämpfen, sich quälen, teilweise vor Schmerz weinen. Das alles tun sie aus einem Grund: Weil sie ein Ziel haben, nämlich vor Mitternacht (Zielschluss) über die Ziellinie zu laufen. Diese Tatsache hat mich unglaublich fasziniert. Ich träumte, auch einmal an diesem Wettkampf teilzunehmen. Das war im Jahr 2005.

Trotzdem änderte sich vorerst mein Leben nicht. Ich rauchte weiter, lebte weiter ungesund und hatte mit Sport nach wie vor nichts am Hut. Doch der Traum vom Ironman schlummerte in mir und ich war jedes mal fasziniert, wenn ich Triathleten beobachtete.

3 Jahre später, also im Jahr 2008 war ich neuerlich Zuschauer beim Ironman. Wenige Tage später redete ein Arzt eindringlich auf mich ein, dass ich in meinem Leben etwas ändern soll. „Rauche weniger, trinke weniger Alkohol, ernähre Dich gesünder und vor allem: Mach ein bisschen Sport“, lautete der Rat. Auf meine Frage hin, welchen Sport er empfehlen würde, meinte er „moderaten Ausdauersport. Mit Deinem Handicap wäre ein wenig Radfahren und Schwimmen ideal“. Ohne groß zu überlegen meinte ich „Nehmen wir Laufen auch noch dazu, dann kann ich irgendwann einmal einen Ironman machen!“.

Offensichtlich war ein Ironman nicht das, was sich der Arzt unter moderatem Ausdauersport vorstellte. Er meinte, dass dies für mich ohne linkes Bein und ohne linke Hüftpfanne medizinisch unmöglich sei.

Das wollte ich nicht akzeptieren. Ich ging nach Hause und setzte mir das konkrete Ziel, 2011 den Ironman Austria erfolgreich zu beenden.


Woher kam deine Motivation mit dem harten Training anzufangen und es auch durchzuhalten?

Ich nahm die Kraft von meinem Ziel. Mein großes Ziel war es, 2011 den Ironman Austria innerhalb von 17 Stunden erfolgreich zu beenden. Damit konnte ich mich zu 100 % identifizieren und daher habe ich alles dafür gegeben.

Oft war das Training hart, sehr oft gab es auch Rückschläge. Doch ich hatte immer ein klar definiertes Ziel vor Augen.

In der ersten Zeit hat es mir zusätzlich sehr geholfen, Etappenziele zu haben. Der Ironman war ja sehr weit weg (3 Jahre in der Zukunft). Um diese Zeit zu überbrücken habe ich mir kleinere Etappenziele auf dem Weg zum Ironman gesetzt.


Wie alt warst du damals?

Als ich mit dem Training begonnen habe, war ich 24 Jahre alt.

Wie lange hast du dich bis zum ersten Wettkampf vorbereitet?

Die Vorbereitung von der Zeit, als ich Begann mein Leben umzustellen und zu trainieren (2008) bis zum ersten Ironman (2011) dauerte knapp 3 Jahre. Davor gab es natürlich bereits kleinere Wettkämpfe (Läufe, kürzere Triathlons, …)


Wie schauten diese Vorbereitungen aus?

Zu Beginn war es eigentlich kein Training, sondern mehr ein Lernen.

Das erste Ziel war es, Schwimmen zu lernen. Damit meine ich Kraulen, das konnte ich nämlich zum damaligen Zeitpunkt überhaupt nicht.

Danach war es wichtig, Laufen zu lernen. Mit Laufen hatte ich zum damaligen Zeitpunkt absolut nichts zu tun. Ich hatte damals auch keine richtige Laufprothese. Mein Training absolvierte ich mit einer ganz normalen Alltagsprothese, mit der ich auch meinen ersten Ironman machte.

Das Radtraining absolvierte ich zu Beginn mit einem über 10 Jahre alten Mountainbike. Erst nach einigen Monaten wechselte ich auf ein Rennrad.

Es dauerte Monate, bis ich ein halbwegs vernünftiges Training absolvieren konnte. Ich hatte ja damals mit Sport absolut nichts am Hut und musste meinen Körper erst an das Training gewöhnen.


Wie war es für dich und was ging in dir vor als du bemerkt hast, im Gegensatz zu allen Behauptungen, dass du laufen kannst und sogar einen Ironman/Triathlon bestreiten und siegen kannst?

Als ich mir das Ziel setzte, 2011 den Ironman Austria erfolgreich zu beenden habe ich sehr naiv gedacht und mir alles relativ einfach vorgestellt. Mein Arzt meinte ja, dass es für mich unmöglich sein wird, einen Ironman zu bestreiten. Beim Schwimmen sah er kein Problem, das Radfahren hielt er auch noch für möglich, doch ohne linkes Bein und ohne linke Hüftpfanne einen Marathon zu laufen hielt er für unmöglich.

Ich dachte damals - wie gesagt - sehr naiv. Ich dachte mir: "Wenn ich gehen kann, dann kann ich auch einen Marathon laufen. Ich brauche ja nur einen Fuß vor den anderen zu setzen und das ganze genau 42,2 km lang."

Bei meinen ersten Trainings merkte ich, dass es doch nicht so einfach sein wird, einfach nur einen Fuß vor den anderen zu setzen. Mein erstes Lauftraining musste ich nach nicht mal einen Kilometer beenden.

Zum Glück hatte ich - wie oben erwähnt - damals Etappenziele. Eines davon lautete: "In den Nachbarort und retour zu laufen". Die Strecke betrug ziemlich genau 6 km. Es dauerte über ein halbes Jahr, bis ich es schaffte, diese Strecke durchgehend zu laufen.

Der Weg zum Ironman war also sehr lang. Als ich 2011 den ersten Ironman schaffte war es ein wahnsinnig tolles Gefühl, das nach wie vor unbeschreiblich ist.


Nach welcher Einstellung lebst du?

Ich versuche in meinem Leben, immer ein klar definiertes Ziel vor Augen zu haben. Dadurch habe ich es geschafft, meinem Leben einen Sinn zu geben.

Ziele, mit denen ich mich zu 100 % identifizieren kann, führen dazu, dass ich mit Leidenschaft und Begeisterung an deren Verwirklichung arbeite. Auf diese Art und Weise habe ich mein Leben in den Griff bekommen.

Was mir aber auch sehr wichtig ist, ist Dankbarkeit. Ich bin dankbar, so vieles erreicht zu haben und das führt automatisch zu Glück und Zufriedenheit. Das bedeutet aber nicht, dass ich in meinem Leben keine Ziele mehr habe. Ganz im Gegenteil. Es gibt noch so vieles, das ich gerne erreichen und haben möchte.


Wie hat der Sport dein Leben verändert?

In meiner Zeit vor dem Sport lief ich planlos durch ein großteils inhaltsloses Leben. So brutal es auch klingen mag, doch man kann sagen, dass ich nicht lebte, sondern nur existierte. Immer öfter verspürte ich das Gefühl, nutzlos zu sein und nichts auf die Reihe zu bekommen.

Durch den Sport, im Speziellen beim Ironman 2011 habe ich erstmals in meinem Leben am eigenen Leib gespürt, wie wichtig es ist, klare Ziele vor Augen zu haben. Dadurch lebe ich viel bewusster und weiß jeden Tag für was ich aufstehe und kann am Abend sagen, dass ich heute etwas sinnvolles getan habe und dadurch mein Leben in vollen Zügen gelebt habe.

Auf diese Art und Weise habe ich mein Leben in den Griff bekommen und kann behaupten, dass ich heute dadurch nicht nur ein erfolgreicheres, sondern auch ein zufriedeneres, glücklicheres und erfüllteres Leben führe.


Was war dein größter und was war dein wichtigster sportlicher sowie private Erfolg in deinem Leben und warum genau diese?

Jeder Erfolg ist anders und auf seine Weise wunderschön.

Der größte Erfolg für mich ist es jedoch, wenn ich es schaffe, meine Botschaft weiterzugeben. Sie lautet, dass im Leben so viel mehr möglich ist, als wir es uns oft vorstellen können. Wenn mir das gelingt ist das ein viel größerer und schönerer Erfolg als es Medaillen und Titel je sein können.

Welche Ziele hast du?

Ich versuche - wie gesagt - immer ganz klar definierte Ziele vor Augen zu haben, egal ob sportlich/beruflich oder privat. Es gibt noch vieles, das ich gerne erreichen und haben möchte und arbeite mit Leidenschaft und Begeisterung an der Verwirklichung dieser Vorhaben.

Mein nächstes sportliches Ziel ist der Ironman Florida am 7. November 2015.


An welchen Moment erinnerst du dich sehr gern zurück und warum an diesen?

Ich bin grundsätzlich sehr dankbar für alles, was ich erreicht habe und erinnere mich mit Freude an jeden Erfolg zurück. Aber ich kann mich auch ohne negative Gefühle an Niederlagen zurückerinnern, weil ich gelernt habe, damit umzugehen und ich weiß, dass mich Misserfolge im Endeffekt nur noch stärker machen, weil ich bereit bin, meine Lehren daraus zu ziehen.

Trotz allem versuche ich, meinen Blick immer in die Zukunft zu richten, neue Ziele anzuvisieren und an deren Verwirklichung zu arbeiten.


Was bedeutet für dich das Wort Glück?

Als ich in meiner Zeit vor dem Sport in den Tag hinein und quasi von einer Party zur nächsten lebte, war das für eine Weile zweifelsohne eine tolle Sache. Mit der Zeit wurde es aber langweilig und ich lief planlos durch ein großteils inhaltsloses Leben. Immer öfter verspürte ich das negative Gefühl, nutzlos zu sein und nichts auf die Reihe zu bekommen.

Heute weiß ich: Glück und Zufriedenheit bedeutet mit Sicherheit nicht, faul herumzuhängen und den ganzen Tag lang nichts zu tun. Das ist zwar für eine Weile eine tolle Sache. Mit der Zeit wird mir dabei jedoch schnell langweilig, weil ich praktisch keinen Lebensinhalt habe. Ich denke viele Menschen kennen das negative Gefühl, wenn sie abends im Bett liegen und an diesem Tag nichts weitergebracht haben. Solche Gefühle lassen einen mit der Zeit unglücklich und unzufrieden werden.

Um die Frage konkret zu beantworten: Glück bedeutet für mich, klar definierte Ziele zu haben, mit Leidenschaft und Begeisterung an der Verwirklichung dieser Vorhaben zu arbeiten und dankbar für alles, was ich erreicht habe, zu sein. Diese Lebensweise half mir meinen Weg zu einem erfüllteren und glücklicheren Leben zu finden.


Wie siehst du die sportliche Entwicklung der Kinder bzw. Schüler? Was könnte man deiner Meinung nach dagegen tun oder anders machen?

Ich bin der Meinung, dass den Kindern schon im frühen Alter beigebracht werden muss, wie wichtig der Sport ist. Sport ist eine Lebensschule. Wer sich sportlich betätigt lebt gesünder und lernt auch viel fürs Leben.


Wie bist du mit den „das schafft er nicht und lass das lieber sein“-Sagern umgegangen?

In dieser Zeit ist mein Lebensmotto entstanden. Es lautet: WIR SEHEN UNS AN DER ZIELLINIE!" Diesen Satz gab ich meinen Kritikern immer zur Antwort, im speziellen vor meinen ersten Ironman. Ich sagte: "Kommt zum Ironman nach Klagenfurt. Ich werde am Start stehen. Wartet im Ziel auf mich, wir sehen uns an der Ziellinie!

Für mich waren Kritiker also noch mehr Motivation.


Wie wichtig war für dich mentales Training bzw. was hältst du davon und wie hast du das praktiziert?

Ich habe seit Jahren einen sehr guten Freund, der selbst aktiver Leistungssportler war (Karate Europameister). Er ist eine meiner engsten Vertrauenspersonen. Mit ihm konnte ich über alles reden. Er hat mir Entspannungs- und Konzentrationsübungen gezeigt und mir immer wieder mein Ziel vor Augen geführt.

Ich persönlich halte sehr viel von Mentaltraining.


Zum Abschluss: gibt es was dass du noch sagen möchtest, den Lesern mit auf dem Weg geben möchtest?

Ich habe gemerkt, dass es unglaublich wichtig ist, stets ein Ziel vor Augen zu haben mit dem man sich zu 100 % identifizieren kann. Heute weiß ich, dass ich durch echte, ehrliche Ziele bis an meine Grenzen und oft sogar weit darüber hinaus gehen kann. Wenn das Ziel groß genug ist, verlieren Hindernisse ihren Schrecken, und es ist mir sogar möglich, Situationen zu überwinden, vor denen ich mich fürchte.

Geben Sie Ihrem Leben einen Sinn und setzen Sich sich klare Ziele. Arbeiten Sie mit Hingabe und Begeisterung an der Umsetzung. Wenn Sie das beherzigen, werden Sie schon auf dem Weg zu Ihrem Ziel viele kleine Dinge erleben, die Sie glücklich machen.

Vergessen Sie dabei aber eines nicht: Seien Sie dankbar. Dankbar für alles, was Sie in Ihrem Leben erreicht haben, dankbar für alles, was Sie besitzen, dankbar, dass Sie auf dieser Welt leben dürfen. Wenn Sie diese Denkweise beherzigen, werden Sie Ihren Weg finden. Den Weg zu einem glücklicheren, erfüllteren und zufriedeneren Leben.

Mehr über Christian Troger finden Sie auf seiner persönlichen Homepage HIER!

Photo: Im Ziel bei seinem ersten Halbironman im Jahr 2010. (Austria Triathlon Phototeam/Bernhard Noll)