Hermi Lottersberger


Die Große Stille im Fels und Eis!“


Eine Achterbahn der Gefühle, so kann man am treffendsten das Inteview mit Hermi Lottersberger beschreiben.

Hermi Lottersberger, aus Mayrhofen, zählt zu den Kletterpionierin ihrer Zeit. Die 1926 Geborene, ein herausragendes Klettertalent, war über 40 Jahre mit den Besten ihrer Zeit unterwegs.

Trotz ihrer zahlreichen Erstbegehungen, unter anderem mit Peter Habeler, Reinhold Messner, Sepp Mayerl und Klaus Rebisch, wurde sie selten in den Analen der rumreichen Alpentouren aufgeführt.

„Manche Leute schauen immer ganz verwundert wenn ich einen Berg absteige, dabei können sie sich nicht vorstellen, dass ich zuvor den Klettersteig locker hochging. Ich sehe besser wo ich mich einhängen muss als zu Hause den Kochlöffel.

Immerhin habe ich über 40 Jahre alpines „Extremklettern“ in mir, was wie Radfahren ist, das verlernt man nicht,“ erzählt uns Hermi Lottersberger als wir bei ihr in der Küche Platz nahmen.


Es ist auch der Humor, der mir nie gefehlt hat!“


In ihrer Wohnung findet man lauter Erinnerungsstücke, wie eine Haken den Reinhold Messner selber geschmiedet hatte sowie Bergsteigerutensilien die Geschichten erzählen.

Zusammen schauen wir in einige ihrer zahlreichen Tourenbücher, während die couragierte Hausfrau erzählt.

 

Der Dachstein und das Matterhorn haben mich nie gemocht!“

 

Wie hat das damals alles Angefangen?

Ich hatte schon früher mit meinem Mann Hannes und unseren drei kleinen Kindern leichte Zillertaltouren unternommen. Auch Peter Habeler wohnte mit seinen 16 Jahren bei mir in der Nachbarschaft. Ich war dem jungen Burschen wie eine Ersatzmutter als er mit Fankhauser Horst (Franz Senn Hütte Finkenberg) und Mayerl Sepp zu klettern anfing. Mit dem Sepp machte ich auch die erste Tour auf den Olperer und Feldkopf (Zsigmondyspitze).

Sepp war damals 10 Jahre jünger als ich, nichts desto trotz war er mein strenger Lehrmeister, auch was die Lektion Abseilen anbelangte. Die war an der Guffert Südkanter angesagt. Anfangs traute ich mich nicht mich nicht aus der Wand raus. Als ich ihn fragte, was sei wenn ich das nicht kann, meinte er ganz trocken: „ Die werfen wir die Wand ausse!“ Ich schaute mir nur seine Riesenpratzen an und dachte mir nur: „Bevor die mich in den Abgrund stoßen, gehe ich lieber freiwillig.“

Durch den Sepp bin ich zum Reinhold Messner gekommen und lernte auch den Holzer Heini kennen. Ja, zu dieser Zeit war ich wirklich mit den Weltbesten unterwegs. Reinhold war damals mit seinen 21 Jahren erst am Anfang.

 

Das ich wirklich große Touren hätte machen können, ist mir erst bewusst gewesen, als es mir nicht mehr möglich war!“

 

Du gehst selbst immer noch Klettersteige, 15 mal waren es letzen Sommer wie du berichtete hast, kannst du dich noch an deine allersten Erstbegehungen erinnern?

Messner hat mir damals, 1968, zwei Erstbegehungen angeboten, die Schwarze Wand im Gardatal und einen Tag zuvor die Damenerstbegehung der Furchetta Nordwand. Ich sah mich über diese Schwierigkeitsgrade noch nicht aus und wir haben die Falzoregatürme bestiegen.

Ich habe mich immer auf mein Gefühl verlassen und nur das getan, wo ich mir zu 100 Prozent sicher war.


Die Bergdamische aus dem Zillertal, wie Reinhold Messner sie liebevoll nett, hatte ihr Basislager in Südtirol, bei der Messner-Familie. Sie wurde quasi als 10 Messner-Kind gesehen. Mit Reinhold`s Mutter hatte sie eine Seelenverwandte gefunden. Dort konnte sie auch über ihr schlechtes Gewissen ihrer Kinder gegenüber reden.


Wie konntest du deine Klettertouren, Reisen mit deiner Familie vereinbaren?

Mich hat es oft gewundert, dass mich mein Mann so oft hat ziehen lassen. Bei uns in der Familie zogen wir alle an einem Strang. Für mich war es ganz einfach. Wenn ich wieder zu einer Bergtour geladne wurde, kochte ich vor, jedoch ging ich immer nur mit der Erlaubnis meines Mannes.

Meine Kinder und mein Mann waren stolz auf mich und freuten sich mehr nach einer erfolgreichen Besteigung, als ich es selbst tat.

Es ist mir immer gut gegangen, nur manchmal packte mich das schlechte Gewissen. Hätte mir damals Reinhold`s Mutter geraten meine Kinder nicht mehr alleine zu lassen, hätte ich das sofort getan, doch sie sagte nur zu mir, dass ich, solle solange ich die Möglichkeit habe, jede Chance nützen, denn die Kinder gehen alle mal ihren eigenen Weg. Das gab mir sehr viel Kraft.


Ihr wurden die ganzen großen Touren von Messner, Habeler, Mayer und Holzer angeboten. Selbst musste sie sich nie eine erbetteln, außer die Gelbe Kante der kleinen Zinne, denn die soll nichts für eine „Weibischa“, so Mayerl Sepp, sein.


Wie war es für dich mit den jungen Großen unterwegs zu sein?

Ich sah das nie so als ob ich mit den Besten unterwegs bin, wir waren wie eine Familie; ich ihr Mutter und sie meine Bubn, obwohl Reinhold einmal zu mir sagte, dass er sich für mich verantwortlich fühlte.

Ich kann mit Sicherheit sagen, dass Messner mein bergsteigerisches Leben und meine Einstellung dazu sehr geprägt hat. Er hat von einem sehr viel verlangt, vor allen Dingen auch von sich selbst. Er war es, der mir den so wichtigen gesunden Respekt beigebracht hat.


Von 1965 an war Hermi 20 Jahr lang Schilehrerin. Durch das ständige „Tretteln“ holte sich die Einzelstundenkaiserin, wie sie auch genannt wurde, ihre Kondition. Durch das Wäsche waschen mit der Rumpel trainierte sie ihre Arme. „Der Haushalt muss ja auch laufen,“ meinte sie dazu.

Ist dir eine Tour in besonderer Erinnerung geblieben?

Das war der Sommer 1969. 300 Längenmeter unterm Elbrus musste ich umkehren. Meine Lederschuhe waren völlig durchnässt , es hatte 26 Grad minus und es stürmte. Ich spürte meine Zehen nicht mehr. Im Lager stellte man fest, dass sie angefroren waren. Dort erfuhr ich das erste Mal wie sich eine Schocklösung anfühlte, ich habe so bitterlich geweint.

 

Die besten Bergkameraden die mir die letzten 40 Jahre untergekommen sind, waren die Russen!“


Die Mitgründerin der Rendez-vous Hautes Montagnes, eine internationale Vereinigung bergsteigender Frauen, berichtete uns auch von schrecklichen Momenten.

Wie sie während einer Watzmann Ostwand Begehung erfuhr, dass eine Freundin am Pik Lenin in den Tod stürzte. „Sie sah den Sprung aus der Wand als letzten rettenden Ausweg, zuvor verabschiedetet sie sich noch über Funk bei ihrem Mann.“ berichtete Hermi mit trauriger Stimme.


Das Leben ist wie das Bergsteigen. Du musst bewältigten, deine Grenzen erkennen, nichts Unmögliches herausfordern, zugestehen und zurückstecken sowie umdrehen können und es geht nicht sagen können!“


Sie hat nie etwas auf biegen und brechen versucht, geht heute noch Skifahren und weichte den „Brettlaffen“, wie sie die Snowboarder nett gemeint nennt, gerne aus. Durch ihre Augenkrankheit ist ihre Sehkraft stark eingeschränkt und kann nur auf Sonnenhängen fahren.


Wie siehst du den heutigen Alpinismus und Fanatismus?

Ich habe einen gesunden Egoismus, ein gesundes Selbstwertgefühl und einen gesunden Unternehumgsgeist, war aber nie fanatisch, denn das würde heißen, auf Biegen und Brechen, ohne Rücksicht auf andere was zu machen.

Der jetzige Alpinismus ist schnell und mehr eine Modeerscheinung. Wenn ich ich in die Berge gehe oder klettere konzentriere ich mich auf den Fels, greife wo hin und schaue wo ich mich festhalten kann.

Ich besiege den Berg nicht und kämpfe auch nicht mit ihm, es ist eine Verbundenheit und ein Gefühl mit dem Fels zu leben. Erst am Gipfel denke ich an meine Kinder und an meine Familie, vorher bestimmt nicht.


Ich bin zwar in 12 oder 13 Büchern verewigt doch am meisten freut mich im Hias Rebitsch Buch unter seinen Freunden aufzuscheinen. Das ist für mich das Wertvollste!“


Hermi Lottersberger ist seit ihrer Jugend an immer dankbar für das gewesen was sie hat. Selbst hat sie nie darauf geachtet, was andere haben, sondern immer dankend angenommen was ihr persönlich ermöglicht wurde. Diese Einstellung hat sie auch zu ihrem Lebensmotto gemacht.


Was würdest du Leuten raten die das Leben wie eine „Generalprobe“ leben, immer alles erst später machen wollen?

Man sollte jeden einzelnen Tag so leben wie es möglich ist, nicht nach einem Plan, sondern von innen raus, nach dem was einem auferlegt und vorgegeben wurde, denn das es eine Allmacht gibt, ist unbestritten.


Vor 11 Jahren nahm sie Hans, mit dem sie über 50 Jahre glücklich verheiratet war und der ihr 40 Jahre lang jede nur mögliche Freiheit gegeben hatte, als Pflegefall mit nach Hause. Für Hermi war es ein Bedürfnis sich um ihn zu kümmern, denn so konnte sie ihm was zurückgeben.


„Die wenigsten Menschen glauben, dass ich eine Tiefgläubige Frau bin. Ich habe immer schon gebetet, allerdings von Herzen aus und dabei ist mir am Besten das „Vater unser“ gelungen. Denn wenn ich was sage dann habe ich es auch so gemeint, vor allem gibt mir der Satz, „dein Wille geschehe,“ sehr viel Kraft und spendet mir Trost. So auch als mein Mann vor acht Jahren starb.

Im Dezember darauf wurde auch mein Sohn, Alfred, vom Bauchspeicheldrüsenkrebs erlöst.

In der Nacht vor seinem Tod öffnete ich meine Hände und sagte zu Jesus Christus und Mutter Gottes: „Hier gebe ich euch meinen Alfred zurück, tut das was für ihn am Besten ist und gebt mir die Kraft das durchzustehen.“

Ich wurde immer geleitet und begleitet in meinen Entscheidungen,“ erzählte uns Hermi Lottersberger zum Abschluss mit feuchten Augen und blickte dabei auf die Bilder von Hans und Alfred.


Das Wichtigste für den inneren Seelenfrieden ist:

Wenn du vom Herzen aus verzeihen kannst hast du deinen inneren Frieden gefunden. Auch wenn man es nicht zu glauben mag, man kann alles verzeihen!“


Das Gespräch führte Erwin Hofbauer und Carina Eder.