Die Wunderpille Bewegung

Warum Kinder von Betten fallen, woher die Drogen im Gehirn stammen und was das alles mit Tourismus zu tun hat

Am Freitag, 25.11.2016 wurde um 10.00 Uhr das Fachsymposium Bergsport & Gesundheit – veranstaltet vom Alpenverein – durch die Moderatorin Frau Mag.a Margit G. Bauer (Psychologische Pädagogin, Unternehmensberaterin, Energetikerin) eröffnet. Begrüßt wurden die anwesenden Gäste durch Frau Mag.a Ilona Ventura Msc, der stellvertretenden Leiterin des Bundesministeriums für Frauen und Gesundheit, Herrn Dr. Andreas Ermacora, dem Präsidenten des Österreichischen Alpenvereins sowie von Markus Winkler, Leiter der Generali Versicherung für die Region Tirol und Vorarlberg.

v.l.n.r.: Frau Mag.a Margit G. Bauer, Frau Mag.a Ilona Ventura Msc, Herr Dr. Andreas Ermacora, Herr Markus Winkler
v.l.n.r.: Frau Mag.a Margit G. Bauer, Frau Mag.a Ilona Ventura Msc, Herr Dr. Andreas Ermacora, Herr Markus Winkler

Um 10.30 war es dann soweit und die von allen erwarteten Ergebnisse der Studie zu den Forschungsthemen

  • Einfluss von Bergsport und Bewegungsverhalten auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität
  • Unmittelbare Effekte einer Bergwanderung psychologische und physiologische Parameter
  • Potentielle Unterschiede zwischen Outdoor und Indoor Exercise

wurden von Univ.-Doz. Dr. Arnulf Hartl (Leiter des Instituts für Ecomedicine, Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg), Univ.-Prof. Dr. Martin Kopp (Institut für Sportwissenschaft, Universität Innsbruck) und Martin Niedermeier, MSc (Institut für Sportwissenschaft, Universität Innsbruck) vorgestellt.

!Kinder heute verletzen sich häufiger weil sie aus dem Bett fallen anstatt von Bäumen!

Graphic Recording von Frau Edith Steiner-Janesch Ing.MSc, verwandelt die Essenz und die Hightlights einer Veranstaltung in eine inspirierende Bildlandkarte. Damit Sie sehen, was Sie sagen.
Graphic Recording von Frau Edith Steiner-Janesch Ing.MSc, verwandelt die Essenz und die Hightlights einer Veranstaltung in eine inspirierende Bildlandkarte. Damit Sie sehen, was Sie sagen.

Aktuell gleicht Europa von oben betrachtet einem Feinstaubsumpf, aus dem die Berggipfel der Alpen als grüne Lungen hervorstechen. Es findet eine Urbanisierung statt, was bedeutet, dass die Menschen immer häufiger in die Stadt ziehen. Weltweit leben 50 Prozent der Menschen in Städten. Die WHO empfiehlt, sieben Kilometer am Tag bzw. 10.000 Schritte pro Tag zu gehen. Der Durchschnitt geht 400 Meter am Tag. Vor rund 100.000 Jahren waren es sieben bis 23 Kilometer pro Tag. Die körperliche Inaktivität ist die Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Derzeit gilt der Slogan „Sitzen ist das neue Rauschen“. Der Mensch ist so konzipiert, dass wenn er fühlt, dass ihm etwas gut tut (in diesem Fall die Bewegung), er es wieder haben will. So muss auch das Bewegungsangebot der Zukunft aussehen und dabei weder unterfordern noch überfordern.

Die Studie maß verschiedene Werte (Blutdruck, Herzrhythmus, Cortisol, etc.) bei Menschen die eine durchschnittliche Bergwanderung machten, bei jenen die das selbe auf einem Laufband gingen (jedoch bei durchschnittlicher Steigung und ohne bergab gehen) und bei einer sitzenden Gruppe. In dieser Studie durchlief jeder Teilnehmer jede Situation.

Die Ergebnisse waren eindeutig und sind wie erwartet ausgefallen – durch Bergwandern kommt es zu einer unmittelbaren positiven Veränderung der Psyche. In der Natur ist die Veränderung höher als in Räumen. In der Natur ist der Effekt wiederum in den Bergen höher als in der Ebene. Interessant auch das Ergebnis, dass die Teilnehmer das Laufband anstrengender empfanden als der gemessene Herzrhythmus anzeigte. Daraus könnte geschlossen werden, dass Bewegung im Freien von der Anstrengung ablenkt. Das Hormon Cortisol sank in den Bewegungsgruppen als auch in der sitzenden Gruppe, das liegt daran, dass das Cortisol im Tagesverlauf sinkt. In Bewegung sank es jedoch nochmals schneller, es gab keinen signifikanten Unterschied zwischen Bewegung draußen oder drinnen.

Vom Massentourismus zum horizonterweiternden Erlebnistourismus

Prof. Mag. Peter Zellmann
Prof. Mag. Peter Zellmann

Nach einer kurzen Pause fesselte Herr Prof. Mag. Peter Zellmann (Leiter des Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung) mit seinem objektiv und aufheiternden Vortrag zu einem absolut ernst zu nehmenden Thema – Bergsport als Tourismusfaktor.

Die Freizeit- und Tourismuswirtschaft hat 15 Prozent BIP Anteil, der indirekte Anteil liegt bei 25 Prozent. Der indirekte Anteil beschreibt all jene Branchen, die nicht direkt mit dem Tourismus zusammenhängen, die aber sehr von ihm profitieren; zB der Tischler der das Hotel einrichtet, der Supermarkt der existiert weil so viele Touristen da sind, usw. Ein Drittel der Arbeitsplätze sind direkt und indirekt vom Tourismus abhängig und 2015 waren 450.000 Personen in Österreich in Hotels beschäftigt. Der Tourismus ist ein Job- und Wirtschaftsmotor.

Die Menschen in der heutigen Zeit wollen in immer kürzerer Zeit immer mehr erleben. Dies stellt Tourismusbetriebe und die Umwelt vor eine große Herausforderung. Ebenso die Wünsche der Organisationen an die Menschen mehr Bewegung zu machen. Jeder Mensch in Österreich sollte einmal wöchentlich in die Berge gehen, andererseits sollen die Berge vor Menschenmassen geschützt werden?! Es geht in der Zukunft um die Vereinigung scheinbar unvereinbarer Gegensätze. Der Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie wird zur Hauptaufgabe von Tourismuspolitik und Tourismuswirtschaft. Ob es mit den Lebens- und Wirtschaftsraum Alpen bergab oder bergauf geht, hängt von objektiven Diskussionen und den resultierenden Rahmenbedingungen ab. Denn was wäre der österreichische Wintertourismus zum Beispiel ohne Schnee?

Die Aufgabe muss sein, vom Massentourismus zum horizonterweiternden Erlebnistourismus umzuschwenken. Statt Großevents das Frühstück zum Highlight zu machen.

 

Bewegung ist gleich effektiv wie Antidepressiva – doch keinen interessiert es

Prim. Priv.-Doz. Dr. Reinhold Fartacek
Prim. Priv.-Doz. Dr. Reinhold Fartacek

Von vielen belächelt und für nicht ernst genommen wurde Prim. Priv.-Doz. Dr. Reinhold Fartacek (Facharzt für Psychiatrie und Neurologie) als er eine Studie begann zum Thema „Bergwandern und psychische Erkrankung: Ein Therapieansatz?“

Bewegung in der Natur ist ein bekannter und effektiver Weg der Prävention. Der therapeutische Ansatz von Bewegung gehört forciert und weit in den Vordergrund gerückt. Es ist gut, dass es Medikamente gibt die helfen und immer besser verträglicher werden, doch sie sollen nur ein Teil der Therapie sein. Eine Studie von Blumenthal et al. 1999/2007 zeigt: Bewegung ist gleich effektiv wie Antidepressiva! Bewegung verbessert die Gehirndurchblutung, sowie die neurale Plastizität, sie führt zur Stimulation der Gefäßneubildung im Gehirn und stimuliert das serotogene System (Stimmung). Studien die diese Ergebnisse erhoben haben, sind zum Teil schon 20 Jahre alt und nichts hat sich bisher geändert. Dr. Fartacek startete eine Studie, mit Menschen die mindestens einen Suizid hinter sich hatten und gewissen Parameter nach medizinischen Skalen erreichten. Es gab zwei Gruppen, die eine ging dreimal die Woche für neun Wochen wandern, die andere Gruppe tat nichts. Danach wurden die Gruppen getauscht.

Kollegen fragten ihn ob das schon sein Ernst sei, er machte es. Ein Gespräch mit Reinhold Messner und seine Aussage „Ich kenne einige Extremsportler die Suizid begangen haben. Ich kenne jedoch keinen, der es am Berg getan hat“, bestärkte das Vorhaben. Die Ergebnisse sind eindeutig. Die Hoffnungslosigkeit ist der Parameter schlechthin wenn es um Suizid geht, denn ein Mensch der noch einen Funken Hoffnung in sich trägt, nimmt sich nicht das Leben. Die Hoffnungslosigkeit hat sich in der Wandergruppe signifikant (p < 0,001) gebessert und die Suizidgedanken sind signifikant gesunken (p < 0,001)

Aussage eines schwer suizidgefährdeten Patienten:

„Wenn die Situation am Höhepunkt der Ausweglosigkeit ist, geh ich auf einen Gipfel und alles ist besser. Wieder unten ist die Situation natürlich die selbe doch für eine Zeit lang ist sie wieder besser ertragbar“

Herr Dr. Fartacek hat alle Teilnehmer nach der Studie zu einem zweitägigen Hüttenausflug getroffen und allein das Aussehen und er Umgang sprachen Bände. Die Teilnehmer sahen zum Teil komplett anders aus, sie waren offener und lebenslustiger, der Umgang miteinander war positive verändert. Und einige sagten ihm, was war diese Zeit der Studie die schönste Zeit in ihrem Leben!

Unser Gehirn – ein Drogenlabor

Gipfelglück: Was die Hirnforschung über das Bergerlebnis verrät, dazu gab Dr. Stefan Klein (Physiker, Philosoph und Wissenschaftsautor: "Die Glücksformel") eine wissenschaftlich fundierten Impuls. Die Welt heute hat ein Glücksproblem. Es beginnt eine weltweite Epidemie der Depression. Sie ist die Pest des 21. Jahrhunderts. Das Aufwachsen in Städten erhöht das Risiko an Depression zu erkranken und zwar noch Jahrzehnte danach. Wir brauchen eine Kultur des Glückes. Glück ist eine Emotion = Reaktion des Organismus, ein Signal. Bei der Reaktion „Glück“ werden Opioide vom menschlichen Gehirn freigesetzt.

Opioide haben die selbe chemische Struktur wie Opiate. Heroin muss jedoch illegal und hochgefährlich gespritzt werden, Opioide haben wir alle bei uns, in unserem Gehirn. Auch Anandamin, ein Canabinoid wird freigesetzt. Sport löst diese Prozesse aus. Das wiederum kann süchtig machen, jedoch nicht in dem Rahmen wie bisher angenommen wurde. Sport macht den Menschen euphorisch. Die Hirnforschung zeigt, bei Depressionen setzen Bewegung und Medikamente im Gehirn an den selben Nervenpunkten an, ergo, sie haben die selbe Wirkung. Der Mensch muss die Bewegung an sich jedoch wollen. Warum also geht der Mensch so gern in die Berge? Durch das Hormon Dopamin speichern wir alles erlebte und wollen das super Gefühl nach einem Gipfelmoment immer und immer wieder erleben. Glück ist ansteckend und zwar nur in körperlicher Gegenwart, es lässt sich nicht über Telefon oder Internet verbreiten. Glück ist Gemeinschaft und Kooperation. Glück ist Fairness.

Im Hafen ist ein Schiff sicher, doch dafür ist es nicht gebaut worden (Seneca, 50 n. Chr.)

Elisabeth Steurer, MA
Elisabeth Steurer, MA

Elisabeth Steurer, MA (staatl. gepr. Berg- & Skiführerin) gab Denkanstöße zum Thema „Recht auf Risiko – Risikobedürfnis und Sicherheitssehnsucht“. Jeder Mensch ist täglich Risiken ausgesetzt, die uns jedoch nicht bewusst sind. Die Medien vermitteln der breiten Mehrheit ein negativ besetztes Bild des Bergsportes. Für den Bergsportler selber, ist der Gang in die Berge auch bei Lawinengefahr kein Risiko, denn er weiß worauf er achten muss und ab wann er umkehren sollte. Nur weil ein vermeintliches Risiko ausgeschaltet wurde, bedeutet das nicht, dass wir in Sicherheit sind. Ein Beispiel: Elisabeth war mit einer Freundin auf einer Klettertour. Sie hatten ein Wetterfenster von 2,5 Tagen und bemerkten, dass sich das nicht ausgeht, also kehrten sie um. Unten angelangt löste sich am Berg ober ihnen Schnee, der in weiterer Folge zu einer großen Lawine wurde. Wären sie nur ein paar Meter ober- oder unterhalb der Position gewesen an der sie standen, wären sie beide mit Sicherheit tot gewesen. Und das, obwohl sie doch das große Risiko ausgeschaltet hatten. Wir brauchen eine Risikokultur – würden wir kein Risiko eingehen, würden wir uns nie weiterentwickeln, würden wir nichts neues erfahren, erleben und erlernen. Die Angst die oft von Medien verbreitet wird, bringt und in keiner Lebenslage weiter. Die absolute Sicherheit gibt es nicht, in keinem Bereich des Lebens.

 

Die gesamten Folien sowie ein Video zum Fachsymposium Bergsport & Gesundheit wir in kürze auf der Homepage www.alpenverein.at/symposium ersichtlich sein.